Vertrauen ohne Gegenleistung kommunizieren (December 13, 2010) DEUTSCH

Enrique Sueiro

Ejecutivos, December 13, 2010

Original Version: Spanish

„Ich bin so vertrauenswürdig wie tausend Goldtaler”, sagte Talleyrand. Für Lenin war Vertrauen gut, Kontrolle jedoch besser. Machiavelli stellte sich die Frage ob es besser sei, geliebt oder gefürchtet zu werden und entschied sich für Letzteres. Ist ihr Unternehmen vertrauenswürdig? Ihr Chef? Ihre Mitarbeiter?

Kommunikation und Vertrauen brauchen sich gegenseitig. Der deutsche Philosoph Robert Spaemann erklärt, dass im Deutschen „sich auf jemanden verlassen“ eine  wunderbare Periphrase für Vertrauen sei (da sie das Wort „verlassen“ beinhaltet, das ebenso in der Periphrase „jemanden verlassen“ oder auch „verlassen werden“ enthalten ist). Er fügt hinzu, dass, auf gewisse Art und Weise, Vertrauen natürlich oder angeboren sei. Um zu veranschaulichen, dass Misstrauen gelernt werden muss, erinnert er an den Vater, der seinem Sohn sagt, er solle von einer bestimmten Höhe runterspringen. Das verängstigte Kind weigert sich. „Vertraust du deinem Vater nicht?“, wirft dieser ihm vor. Am Ende entscheidet sich das Kind zu springen und verletzt sich, weil sein Vater zur Seite gewichen ist. „Jetzt weißt du es”, lehrt der Vater das Kind: „Du kannst niemandem vertrauen, nicht einmal deinem eigenen Vater.“

Als hoffnungsweckendes Gegenbeispiel führt der Professor der Münchner Universität eine Erfahrung auf, die ein junger Mann im Stuttgarter Theater machte, als er seinen Studentenausweis vergessen hatte, um seinen Anspruch auf studentischen Preisnachlass zu belegen. Die Inhaberin gewährte ihm den Preisnachlass mit der folgenden Begründung: Ich kenne Sie nicht, deswegen habe ich auch keinen Grund ihnen nicht zu vertrauen.

Eine Führungskraft weiß, dass Kommunikation mit Zuhören beginnt (audio, ergo communico), dass das Teilen von Information ihn nicht schwächt und das Vertrauen ihn nur dem Anschein nach verletzlich macht. Vertrauen innerhalb eines Unternehmens erweckt man und verdient man sich, man kann es nicht aufzwingen. Häufig beweist die Notwendigkeit, Vertrauen hervorzuheben, den Mangel an dessen Ausübung. Das beharrliche Predigen von Dingen, die man nicht selber lebt, führt zu einem Symptom der körperschaftlichen Schizophrenie.

Aus Sicht der internen Kommunikation erscheint das Vertrauen, das Angestellte gegenüber Ihrem Vorgesetzten äußern, von vorneherein glaubhafter, als das, das die Geschäftsleitung predigt. Ein Chef, der systematisch betont, dass seine Tür immer offen steht, verrät seine eigene Unzulänglichkeit. Oder seine Angestellten wissen dies bereits, kommen aber trotzdem nicht zu ihm. Oder sie ignorieren es, was zeigt, dass man der Gegenwart nichts abverlangen kann, was erst für die Zukunft zu erwarten ist.

Ich vermute, dass es mit Vertrauen ebenso ist, wie mit Ansehen: entweder man hat es oder nicht. Hat man es nicht, so erlangt man es nicht dadurch, dass man sagt, es zu haben. Zudem ist es verlorene Liebesmüh es ständig zu wiederholen, da ich es nicht öffentlich ausrufen müsste, wenn ich Ansehen genießen oder Vertrauen erwecken würde. Umso mehr, wenn ich über diese Eigenschaften nicht verfüge.

Es ist angebracht, die eigene Rede zu mäßigen, grade wenn es um Attitüden und Prinzipien geht, die das eigene Handeln involvieren. Das, was zu sagen ist sollte knapp und gut abgestimmt und nach dem Zuhören formuliert werden. Es ist nicht dasselbe zu sagen “wir” sind eine Familie, ein verantwortungsbewusstes Unternehmen, etc., wie auszudrücken „wir möchten gerne sein“ oder „versuchen zu sein“. Die Fragen, die mich von Führungskräften erreichen, bestätigen, dass interne Probleme im Unternehmen oftmals darauf zurückzuführen sind -und sich grundsätzlich verschlimmern- dass auf das ehrliche Klagen der Leute, die das Unternehmen bilden, immer mit dergleichen institutionellen, automatischen Rhetorik geantwortet wird.

Vertrauen in Personen und Unternehmen

Der deutsche Professor unterstreicht die Wichtigkeit körperschaftlicher Entscheidungen. Wahrzunehmen, dass etwas, was dem Unternehmen angeblich Gewinne einbringt, den Personen schadet, versetzt sensible Führungskräfte in Alarmbereitschaft. Eine Kommunikation, die zuhört und diese Pathologien erkennt, unterstützt die Direktion darin, ihre Entscheidungen zu überdenken und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies ist der Schlüsselmoment, um die Erfolgsformel anzuwenden: Kommunikation + Kohärenz = Vertrauen. Es ist sogar so, dass inhaltlose Rhetorik ihre Folgen hat. Franz Kafka erklärte, die Tatsache, dass sein Vater, der in seinen Augen solch außerordentliche Autorität besäße, seine eigenen Vorschriften nicht respektiere, habe Spuren in seinem Leben hinterlassen.

Für Spaemann bestätigt sich die Treue nur wenn es sich zeige, dass ein Unternehmen seine Verluste aus freien Stücken auf sich nehme, damit wir nicht ungerechtfertigten Schaden leiden. Ist das Vertrauen einmal zerstört, kann es wieder aufgebaut werden, allerdings nur sehr langsam. Zudem, im Gegensatz zu persönlichem Vertrauen, welches jederzeit durch eine Änderung des Verhaltens wiederhergestellt werden könne, existiere nach Spaemann eine Reaktion dieser Wesensart bei Unternehmen nicht.

Für verlorenes oder nie gewonnenes Vertrauen gibt es eine heilende chirurgische Lösung, deren Nebenwirkungen kaum eine strahlende Zukunft überschatten: um Verzeihung bitten. Wenn wir schuldig sind, ist es nur recht. Und wenn wir uns immer absolut unschuldig fühlen… sollten wir uns noch einmal genauer betrachten.

Kommunikation und Vertrauen kann man nicht improvisieren. So wie Talleyrand bezüglich politischer Aktivitäten urteilte, dass, wenn es dringend sei, es bereits zu spät sei.